BWV 205 Zerreißet, zerprenget, zertrümmert die Gruft
Der zufriedengestellte Äolus
Äolus (Basse) Zephyrus (Ténor) Pomona (Alto) Pallas (Soprano)
1. Chor der Winde
Zerreißet, zerprenget, zertrümmert die Gruft,
Die unserm Wüten Grenze gibt !
Durchbrechet die Luft,
Daß selber die Sonne zur Finsternis werde,
Durchschneidet die Fluten, durchwühlet die Erde,
Daß sich der Himmel selbst betrübt !
2. Récitatif
Äolus
Ja ! ja !
Die Stunden sind nunmehro nah,
Daß ich euch treuen Untertanenen
Den Weg aus eurer Einsamkeit
Nach bald geschloßner Sommerszeit
Zur Freiheit werde bahnen.
Ich geb euch Macht,
Vom Abend bis zum Morgen,
Vom Mittag bis zur Mitternacht
Mit eurer Wut zu rasen,
Die Blumen, Blätter, Klee
Mit Kälte, Frost und Schnee
Entsetzlich anzublasen.
Ich geb euch Macht,
Die Zedern umzuschmeißen
Und Bergegipfel aufzureißen.
Ich geb euch Macht,
Die ungestümen Meeresfluten
Durch euren Nachdruck zu erhöhn,
Daß das Gestirne wird vermuten
Ihre Feuer soll durch euch erlöschend untergehn.
3. Air
Äolus
Wie will ich lustig lachen
Wenn alles durcheinandergeht !
Wenn selbst der Fels nicht sicher steht
Und wenn die Dächer krachen,
So will ich lustig lachen !
4. Récitatif
Zephyrus
Gefürcht'ter Äolus,
Dem ich im Schoße sonsten liege
Und deine Ruh vergnüge,
Laß deinen harten Schluß
Mich doch nicht allzufrüh erschrecken ;
Verziehe, laß in dir,
Aus Gunst zu mir,
Ein Mitleid noch erwecken !
5. Air
Zephyrus
Frische Schatten, meine Freude,
Seht, wie ich schmerzlich scheide,
Kommt, bedauret meine Schmach !
Windet euch, verwaiste Zweige,
Ach ! ich schweige,
Sehet mir nur jammernd nach !
6. Récitatif
Äolus
Beinahe wirst du mich bewegen.
Wie ? seh ich nicht Pomona hier
Und, wo mir recht, die Pallas auch bei ihr ?
Sagt, Werte, sagt,
Was fordert ihr von mir ?
Euch ist gewiß sehr viel daran gelegen.
7. Air
Pomona
Können nicht die roten Wangen,
Womit meine Früchte prangen,
Dein ergrimmtes Herze fangen,
Ach, so sage, kannst du sehn,
Wie die Blätter von den Zweigen
Sich betrübt zur Erde beugen,
Um ihr Elend abzuneigen,
Das an ihnen soll geschehn.
8. Récitatif
Pomona
So willst du, grimmger Äolus
Gleich wie ein Fels und Stein
Bei meinen Bitten sein ?
Pallas
Wohlan ! ich will und muß
Auch meine Seufzer wagen
Vielleicht wird mir
Was er, Pomona, dir
Stillschweigend abgeschlagen,
Von ihm gewährt.
Ensembles
Wohl ! wenn er gegen dich
Mich sich gütiger erklärt.
9. Air
Pallas
Angenehmer Zephyrus,
Dein von Bisam reicher Kuß
Und dein lauschend Kühlen
Soll auf meine Höhen spielen.
Großer König Äolus,
Sage doch dem Zephyrus,
Daß sein bisamreicher Kuß
Und sein lauschend Kühlen
Soll auf meinen Höhen spielen.
10. Récitatif
Pallas
Mein Äolus,
Ach ! Störe nicht die Fröhlichkeiten,
Weil meiner Musen Heilikon
Ein Fest, ein' angenehme Feier
Auf seinen Gipfeln angestellt.
Äolus
So sage mir :
Warum dann dir
Besonders dieser Tag so teuer,
So wert und heilig fällt ?
O Nachteil und Verdruß !
Soll ich denn eines Weibes willen
In meinem Regiment erfüllen ?
Pallas
Mein Müller, mein August,
Der Pierinnen Freud und Lust
Äolus
Dein Müller, dein August !
Pallas
Und mein geliebter Sohn,
Äolus
Dein Müller, dein August !
Pallas
Erlebet die vergnügten Zeiten,
Da ihm die Ewigkeit
Sein weiser Name prophezeit.
Äolus
Dein Müller! Dein August !
Der Pierinnen Freud und Lust
Und dein geliebter Sohn,
Erlebet die vergnügten Zeiten,
Da ihm die Ewigkeit
Sein weiser Name prophezeit.
Wohlan! ich lasse mich bezwingen,
Euer Wunsch soll euch gelingen.
11. Air
Äolus
Zurücke, zurücke, geflügelten Winde,
Besänftiget euch ;
Doch wehet ihr gleich,
So weht doch itzund nur gelinde !
12. Récitatif
Pallas
Was Lust !
Pomona
Was Freude !
Zephyrus
Welch Vergnügen !
Pallas, Pomona, Zephyrus
Entstehet in der Brust,
Daß sich nach unserer Lust
Die Wünsche müssen fügen.
Zephyrus
So kann ich mich bei grünen Zweigen
Noch fernerhin vergnügt bezeigen.
Pomona
So seh ich mein Ergötzen
An meinen reifen Schätzen.
Pallas
So richt ich in vergnügter Ruh
Meines Augusts Lustmahl zu.
Pomona, Zephyrus
Wir sind zu deiner Fröhlichkeit
Mit gleicher Lust bereit.
13. Duo
Pomona
Zweig und Äste
Zollen dir zu deinem Feste
Ihrer Gaben Überfluß.
Zephyrus
Und mein Scherzen soll und muß,
Deinen August zu verehren,
Dieses Tages Lust vermehren.
Pomona
Ich bringe die Früchte mit Freuden herbei,
Zephyrus
Ich bringe mein Lispeln mit Freuden herbei,
Ensembles
Daß alles zum Scherzen vollkommener sei.
14. Récitatif
Pallas
Ja ! ja ! ich lad euch selbst zu dieser Feier ein ;
Erhebet euch zu meinen Spitzen,
Wo schon die Musen freudig sein
Und ganz entbrannt vor Eifer sitzen.
Auf ! lasset uns, indem wir eilen,
Die Luft mit frohen Wünschen teilen !
15. Choeur
Vivat ! August, August vivat !
Sie beglückt, gelerter Mann !
Dein Vergnügen müsse blühen,
Daß dein Lehren, dein Bemühen
Möge solche Pflanzen ziehen,
Womit ein Land sich einstens schmücken kann.